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Ethische Grundsätze für Gestalterinnen und Gestalter

  1. Gestalter_innen sind in erster Linie Menschen.
  2. Gestalter_innen sind verantwortlich für die Arbeit, die sie in die Welt bringen.
  3. Gestalter_innen schätzen Auswirkungen höher als Form.
  4. Gestalter_innen schulden denjenigen, die sie engagieren nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihren Rat.
  5. Gestalter_innen heißen Kritik willkommen.
  6. Gestalter_innen streben danach, ihre Zielgruppe zu kennen.
  7. Gestalter_innen glauben nicht an Grenzfälle.
  8. Gestalter_innen sind Teil einer professionellen Gemeinschaft.
  9. Gestalter_innen schätzen vielfältige und herausfordernde Umfelder.
  10. Gestalter_innen nehmen sich Zeit für Selbstbesinnung.

Gestalter_innen sind in erster Linie Menschen.

Noch bevor du ein_e Gestalter_in bist, bist du vor allem ein Mensch. Wie jeder andere Mensch auf unserem Planeten, bist auch du Teil eines sozialen Vertrages. Wir alle teilen uns diesen Planeten. Indem du dich dazu entschieden hast, ein_e Gestalter_in zu sein, hast du dich auch dazu entschieden, das Leben derer zu beeinflussen, die mit deiner Arbeit in Berührung kommen. Mit deinen Taten kannst du diesen Menschen entweder helfen, oder ihnen schaden. Die Auswirkungen dessen, was du in die Gesellschaft einbringst, sollten bei deiner Arbeit stets eine grundlegende Fragestellung sein.

Jeder Mensch auf diesem Planeten ist dazu verpflichtet, sein bestes dafür zu tun, ihn im Rahmen seiner Möglichkeiten zum Besseren zu wandeln. Gestalter_innen können sich hiervon nicht ausnehmen.

Wenn sich der Inhalt deiner Arbeit auf finanzielle oder soziale Ungleichheit stützt, dann verfehlst du deine Aufgabe als Bürger_in und somit auch die als Gestalter_in.

Gestalter_innen sind verantwortlich für die Arbeit, die sie in die Welt bringen.

Das Gestalten ist eine ausführende Tätigkeit. Du trägst die Verantwortung für das, was du in die Welt bringst. Es steht gewissermaßen dein Name darauf. Und während es mit Sicherheit unmöglich ist vorauszusagen, wie deine Arbeit letztendlich benutzt wird, so sollte es dennoch keine Überraschung darstellen, wenn etwas, dessen Ziel es ist anderen zu schaden, dieses Ziel auch erfüllt. So kann es keine Überraschung sein, wenn eine Schusswaffe, die von uns gestaltet wurde, dazu verwendet wird einen anderen Menschen zu töten. Genauso wenig kann es eine Überraschung sein, wenn eine Datenbank, die gestaltet wurde um Immigranten zu erfassenden, letztendlich dazu verwendet wird, ebendiese Immigranten abzuschieben. Erschaffen wir wissentlich Dinge, die anderen Schaden zufügen sollen, so ignorieren wir unsere Verantwortung. Bedenken wir die Auswirkungen unserer Arbeit nicht, und erschaffen also unwissentlich Dinge, die anderen Schaden zufügen sollen, so machen wir uns damit nur doppelt schuldig.

Gestalter_innen schätzen Auswirkungen höher als Form.

Wir müssen die Konsequenzen unserer Arbeit mehr fürchten, als wir die Cleverness unserer Ideen lieben. Design existiert nicht in einem luftleeren Raum. Unsere Gesellschaft, das größtmögliche System, auf welches wir als Einzelne Einfluss nehmen können, nimmt jede unserer Taten, gut wie schlecht, in sich auf. Letztendlich ist der Wert unserer Arbeit nicht an ästhetischen Gesichtspunkten zu bemessen, sondern anhand eben dieser Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. So kann beispielsweise von einem Objekt, welches gestaltet wurde um Menschen zu schaden nicht gesagt werden, dass es gut gestaltet sei. Ganz egal, wie ansprechend es unter ästhetischen Gesichtspunkten auch sein mag. Denn dieses Objekt gut zu gestalten würde bedeuten, es so zu gestalten, dass es anderen möglichst effektiv schaden kann. Genauso kann nichts etwas das von einem totalitären Regime gestaltet wurde, gut gestaltet sein, da es nunmal von einem totalitären Regime ausging.

Gestalter_innen schulden denjenigen, die sie engagieren, nicht nur ihre Arbeitskraft, sondern auch ihren Rat.

Wirst du angestellt, um etwas zu gestalten, so wirst du deiner Expertise wegen angestellt. Deine Aufgabe besteht dann nicht bloß darin, zu gestalten, sondern außerdem auch darin, die Auswirkungen dieser Arbeit zu beurteilen. Desweiteren ist es deine Aufgabe, deinem Auftraggeber diese Auswirkungen mitzuteilen und zu vermitteln. Sind die Auswirkungen negativer Natur, solltest du wenn möglich auch gleich Lösungswege aufzeigen, welche die negativen Auswirkungen Eliminieren. Ist es nicht möglich, die negativen Auswirkungen deiner Arbeit zu eliminieren, so besteht deine Aufgabe darin, die Umsetzung der Arbeit zu verhindern. Mit anderen Worten ist es also nicht bloß deine Aufgabe, eine Grube zu graben. Du musst außerdem auch die wirtschaftlichen, soziologischen und ökologischen Auswirkungen dieser Grube hinterfragen. Sollte die Grube diese Tests nicht bestehen, so ist es deine Aufgabe, die Schaufeln zu zerstören. Gestalter_innen nutzen ihre Expertise im Dienste anderer, ohne dabei bloße Diener_innen zu sein. Gestalterische Kompetenz besteht oft daraus „Nein” zu sagen und „Wieso” zu fragen. Das Augenrollen hingegen, ist keine dieser Kompetenzen. Die Frage weshalb wir etwas tun sollten ist so viel besser als die Frage ob wir etwas tun können.

Gestalter_innen heißen Kritik willkommen.

Kein moralischer Kodex sollte deine Arbeit vor Kritk, sei es von Kunden, der Öffentlichkeit oder von anderen Designern, bewahren. Im Gegenteil. Du solltest zur Kritik ermutigen um so in Zukunft bessere Arbeit liefern zu können. Wenn deine Arbeit so fragil ist, dass sie keinerlei Kritik standhält sollte sie besser nicht existieren. Es ist besser etwas schlechtes aufzugeben bevor es die Öffentlichkeit erreicht. Gute Kritik kann von überall her kommen.

Die Aufgabe von Kritik, sofern aufrichtig, ist es eine Arbeit zu bewerten und zu verbessern. Kritk ist ein Geschenk. Es macht gute Arbeit besser. Es verhindert, das schlechte Arbeit veröffentlicht wird.

Kritik sollte in jeder Phase des Designprozesses erfragt und willkommen geheißen werden. Man kann einen Kuchen nicht mehr retten wenn er schon gebacken wurde. Aber man kann sein Erfolgschancen steigern indem man sich früh und oft Feedback einholt. Es liegt in deiner Verantwortung nach Feedback zu fragen.

Gestalter_innen streben danach, ihre Zielgruppe zu kennen.

Design ist das bewusste Lösen eines Problems innerhalb von bestimmten Vorgaben. Um zu wissen ob Du diese Probleme auch wirklich löst, musst Du dich mit den Leuten treffen, die diese Problem haben. Und wenn Du in einem Team arbeitest, sollte dieses Team am besten aussehen wie diese Leute. Je mehr dein Team eine Reflektion der Leute ist, deren Problem ihr lösen möchtet, desto besser werdet ihr das Problem lösen.

Dieses Team betrachtet das Problem von einem anderen Blickwinkel aus, mit verschiedenen Hintergründen, Erfahrungen und Bedürfnissen. Ein Team mit nur einem Blickwinkel wird nie die Einschränkungen, die dem Design zu Grunde liegen, so gut verstehen, wie ein Team mit vielen verschiedenen Blickwinkeln.

Aber was ist mit Empathie? Das ist nur ein schönes Wort für Ausgrenzung. Wenn Du wissen möchtest wie Frauen etwas das Du gestaltest, benutzen würden, solltest Du eine Frau ins Team holen.

Gestalter_innen glauben nicht an Grenzfälle.

Wann immer Du entscheidest für wen Du gestaltest, entscheidest Du dich implizit auch für wen Du nicht gestaltest. Jahrelang haben wir Menschen, die für den Erfolg unseres Produktes nicht essentiell waren, als "Edge Cases" bezeichnet. Wir haben Menschen marginalisiert. Und wir haben entschieden, dass es Menschen auf dieser Welt gibt, deren Probleme es nicht wert sind gelöst zu werden.

Facebook gibt derzeit an 2 Milliarden Nutzer zu haben. 1% davon, was für viele Produkte ein Grenzfall wäre, sind 20 Millionen Menschen. Das sind die Menschen am Rande dieser Entscheidung.

“Wenn Du etwas einen Grenzfall nennst, definierst Du in Wahrheit nur um was Du dich bereit bist zu kümmern.” — Eric Meyer

Das sind beispielsweise die trans* Menschen, die unter "echte Namen" Projekten leiden. Die Alleinerziehenden Mütter die unter "beide Eltern müssen unterschreiben" Regeln leiden. Das sind die älteren Immigranten die zur Wahl gehen aber keine Wahlscheine in ihrer Muttersprache bekommen können.

Dies sind keine Grenzfälle. Es sind Menschen und wir schulden ihnen nicht weniger als unsere beste Arbeit.

Gestalter_innen sind Teil einer professionellen Gemeinschaft.

Du bist Teil einer professionellen Gemeinschaft und die Art und Weise wie Du den Job machst und dich aufführst affektiert jeden der Teil davon ist.

So wie die Flut sich nunmal auf alle Boote auswirkt, wirkt es sich auch alle Schwimmer aus wenn einer in den Pool scheißt.

Wenn Du Kunden oder Arbeitgebern gegenüber unehrlich bist, wird der oder die Designer_in, die nach dir kommt, den Preis dafür zahlen.

Wenn Du umsonst arbeitest, wird es von dem nächsten genauso erwartet. Wenn Du dich nicht dagegen wehrst schlechte Arbeit abzuliefern, wird es dein_e Nachfolger_in doppelt so schwer haben es wieder gut zu machen.

Während Gestalter_innen die moralisch nicht verwerfliche Verpflichtung haben Geld zu verdienen, nach besten Ihrer Befähigung und Möglichkeiten ist es dennoch verwerflich wenn sie auf Kosten anderer Gestalter_innen tuen. Schade niemals anderen Gestalter_innen um einen Vorteil daraus zu ziehen. Das beinhaltet öffentliche Redesigns von der Arbeit anderer, spekulative, oder unbeauftragte Arbeit sowie Plagiarismus.

Gestalter_innen streben danach eine Gemeinschaft aufzubauen, nicht sie zu spalten.

Gestalter_innen schätzen vielfältige und herausfordernde Umfelder.

Gestalter_innen hören nie auf zu lernen. Das bedeutet sie konfrontieren sich mit dem was sie nicht wissen. Das bedeutet sie hören sich die Erfahrungen anderer an. Das bedeutet sie ermutigen und heißen Menschen von verschiedenen Ursprüngen willkommen. Das bedeutet sie räumen Menschen einen Platz ein, die von der Gesellschaft unterdrüvkt worden sind. Wir müssen Leuten, die immer und immer wieder ausgeklammert werden, helfen sich in unserer professionellen Gemeinschaft Gehör zu verschaffen. Vielfältigkeit führt zu besseren Ergebnissen und Lösungen. Vielfältig macht besseres Design.

Gestalter_innen haben ihr Ego im Griff, wissen wann sie besser still sind und zuhören, kennen ihre Voreingenommenheiten und sind froh wenn diese getestet werden und kämpfen dafür einen Platz für diejenigen zu schaffen, die bislang nicht gehört wurden.

Gestalter_innen nehmen sich Zeit für Selbstbesinnung.

Niemand wacht morgens auf und entscheidet sich jegliche Moral aus dem Fenster zu werfen. Es passiert langsam, eine zweifelhafte Entscheidung nach der anderen. Es ist eine Reihe von kleinen Entscheidungen, die damals vielleicht sogar in Ordnung zu sein schienen und bevor Du dich versiehst, gestaltest Du ein Interface zum Filtern für den online Waffenshop von Walmart.

Nimm Dir alle paar Monate Zeit für Reflektion. Bewerte die Entscheidungen, die Du kürzlich gefällt hast. Bist Du noch Du selbst? Oder verschiebst Du deinen moralischen Standpunkt mit jeder Gehaltserhöhung oder Aktien-Option?

Hast Du deinen Kurs verlassen? Dann korrigere es. Ist dein Arbeitsplatz ein unmoralisches Höllenloch? Such dir einen neuen.

Dein Job ist eine Entscheidung. Bitte mach es richtig.